Nur ein intensiv genutzter Acker?

Bückeburg (mm-26.11.20). Zu unserem Artikel „Neues Logistikzentrum für Bauerngut“ vom 20. November erreichte uns ein Leserbrief, den wir im folgenden ungekürzt veröffentlichen.

„Wie zu lesen war, möchten Bürgermeister Reiner Brombach und Bereichsleiter Bauen Björn Sassenberg ihren Beitrag leisten zu einer sachlichen Diskussion über den Neubau eines Hochregallagers im Landschaftsschutzgebiet. Besorgte Bürger haben mit Stellungnahmen und Leserbriefen sehr sachlich vorgelegt. Jetzt ist es Aufgabe des Bürgermeisters mit umfassenden und hinreichend präzisen Informationen den Menschen reinen Wein einzuschenken. Dass dies bisher nicht geschehen ist, hat Misstrauen genährt. Das Wenige, was bisher bekannt wurde, ist nicht schlüssig. Dass sich sogar ehemalige Bückeburger betroffen zeigen, obwohl sie inzwischen woanders wohnen, unterstreicht die Bedeutung des Themas.

Natur- und Landschaftsschutz

Das Plangebiet liegt keinesfalls, wie im Schaumburger Wochenblatt vom 21./22. November zu lesen ist, im Randbereich des LSG ‚Sandfurth West’, sondern mitten im östlichen Teilbereich in unmittelbarer Nähe des Übergangsbereiches vom Landschaftsschutzgebiet zum angrenzenden hoch sensiblen Naturschutzgebiet ‚Hofwiesenteiche’.

Sodann das Argument: es handele sich ja ‚nur’ um einen ‚intensiv genutzten Acker’. Damit wird  suggeriert, die Fläche sei nicht wertvoll für den Natur- und Landschaftsschutz. Herr Sassenberg behauptet die Fläche hätte ‚keine große Erholungsbedeutung’. Richtig ist: Die anvisierte Ackerfläche ist seit Jahrzehnten Teil des Landschaftsschutzgebietes Bückeburg-West/Sandfurth, das sich als zusammenhängender Landschaftsgürtel vom Schloss Bückeburg südwestlich verlaufend bis zur Großen Clus und darüber hinaus zieht. Das gesamte Gebiet südlich vom Schlosspark und Mausoleum bis hin zu den Feldwegen in Richtung Segelflugplatz und Kleinenbremen wird seit Jahrzehnten zur ruhigen Erholung in der Natur genutzt. Für Bewohner der Stadt Bückeburg und umliegender Ortschaften ist dieser Naturraum zum Zweck der Erholung unverzichtbar.

Das Argument der Stadtoberen, der Eingriff in Natur und Landschaft könne mit Fassadenbegrünung, Eingrünung oder Fassadenanstrich ausgeglichen werden, hat schon etwas Putziges. Es ist eine Illusion zu glauben, man könne die Zerstörung des einmaligen Landschaftsbildes irgendwie ausgleichen; und man verstoße dabei nicht gegen § 11 des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes.

Wenn die Bagger im Landschaftsschutzgebiet anrücken, ist es zu spät! Eine zerstörte Landschaft lässt sich nicht ohne Weiteres wiederherstellen. Auch dann nicht, wenn die Firma Bauerngut feststellen sollte, dass sie das Hochregallager nicht mehr benötigt.

Räumliche Nähe zu bestehendem Produktionsbetrieb wirklich zwingend?

Ist die räumliche Nähe zwischen dem Produktionsbetrieb und dem Hochregallager tatsächlich erforderlich?  Das Unternehmen Bauerngut hat Produktionsbetriebe in Bückeburg und Könnern (Sachsen-Anhalt). Es hat zwei Logistikzentren in Wiefelstede (Ammerland) und Freienbrink (Brandenburg bei Berlin). Räumliche Nähe zwischen diesen Standorten ist nicht gegeben und offensichtlich nicht erforderlich. Gibt es einen Grund, warum das 3. Logistikzentrum, das in das Bückeburger Landschaftsschutzgebiet gebaut werden soll, in unmittelbarer Nähe der Produktionsstätte liegen muss?

Verkehrssituation/Anbindung an die B 83

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein Logistikzentrum ein Erhebliches an Straßenverkehr mit sich bringt. Wenn Bürger sich darüber besorgt zeigen, ist das verständlich. Da ist es ärgerlich, dass über das erwartete zusätzliche Verkehrsaufkommen von der Firma Bauerngut bisher keine verlässlichen Informationen zur Verfügung gestellt werden.

Die Erschließung soll laut veröffentlichter Planunterlagen über die Straße ‚Hasengarten’ mit einer relativ schmalen Brücke über die B 83 erfolgen. Es besteht die Gefahr, dass diese Straße mit dem LKW-Verkehr für den Produktionsverkehr und das Logistikzentrum überlastet ist.

Die kurze Einfädelspur vom Hasengarten auf die B 83 in Richtung A2 ist sehr kurz bemessen und daher schon jetzt selbst für PKW gefährlich. Das Gleiche gilt für die Auffahrt von der Straße Hasengarten auf die B 83 in Richtung Minden bzw. B 65 Richtung Stadthagen. In diesen Bereichen ist es in der Vergangenheit immer wieder zu schweren, teils tödlichen Unfällen gekommen. Nicht umsonst ist hier ein ‚Blitzer‚ aufgestellt.

Es ist zu vermuten, dass aktuell eine reelle Abschätzung zum zukünftigen Verkehrsaufkommen noch nicht möglich ist, da nach unserem Kenntnisstand dem Bauamt bisher von der Fa. Bauerngut keine verlässlichen  Informationen zur Verfügung gestellt werden, in welcher Art das neue Logistikzentrum tatsächlich genutzt werden soll.

Es ist aufgrund seiner Dimensionierung davon auszugehen, dass das Hochregallager als Umschlagplatz auch für andere Produktionsstandorte oder sogar für andere Produzenten dienen wird, wodurch sich der Schwerlastverkehr in erheblichem Maße verstärken wird. Wir erwarten, dass auf diese Frage vor der Abstimmung im Bau- und Umweltausschuss und im Rat eine ehrliche und plausible Antwort von der Fa. Bauerngut eingeht.

Städtebauliche Aspekte

Wirtschaftliche Überlegungen haben ihre Berechtigung; jedoch nur im Verbund mit anderen Gedanken, die ebenfalls das Leben und Zusammenleben betreffen. In der Vergangenheit sind von weitsichtigen Mitmenschen Natur- und Landschaftsschutzmaßnahmen getroffen worden, von denen wir alle heute und in Zukunft profitieren.

Niemand sollte übersehen, dass die attraktive Gestaltung des städtischen Lebensraums auch erhebliche wirtschaftliche Vorteile bringt. Jeder Stadtplaner wäre froh, eine solch außergewöhnliche Landschaftseinbindung durch einen attraktiven Grünkeil vorzufinden.

Dieser geht aus vom Herzen der Stadt mit Stadtkirche, Fußgängerzone, Hubschraubermuseum, Marktplatz, Schloss und Mausoleum, und erstreckt sich in die freie wunderschöne Landschaft der Weserberge. Er bildet eine wichtige Frischluftschneise für gutes Stadtklima. Ein Glücksfall für Bückeburg!

Man kann sagen, dass Bückeburg in eine reizvolle landschaftliche Umgebung eingebettet ist. Es hat einen hohen Freizeitwert und unterscheidet sich damit von vielen anderen Städten. Bisher wurde dieser ‚Schatz‘ auch sorgsam von den Bückeburger Bürgern und dem Rat der Stadt gepflegt und verwaltet. Man kann das derzeit auch daran sehen, dass im Stadtgebiet an vielen Stellen neuer und teilweise exklusiver und hochwertiger Wohnraum neu geschaffen wird. Diese Entwicklung führt zu wirtschaftlichen Vorteilen für unsere Stadt.

Digitalisierung ermöglicht ‚Homeoffice‘. Da ist es nicht zwingend nötig, in räumlicher Nähe zum Arbeitgeber zu wohnen. Arbeitnehmer werden ihren Lebensmittelpunkt zunehmend dort wählen, wo das Wohn- und Lebensumfeld attraktiv ist. In dieser Hinsicht hat Bückeburg ‚als kleine Residenzstadt mit Schloss’ viel zu bieten. Dieses hohe Gut wollen wir nicht verspielen.

Durch die Aufgabe von Landschaftsschutzgebieten und eine unstrukturierte Gewerbeansiedlungen wird dieser Schatz geopfert. Für neue ‚Steuerzahler im Homeoffice‘ verliert eine Ansiedlung in Bückeburg an Attraktivität. Auch das ist ein wichtiger wirtschaftlicher Aspekt. 

Arbeitsplätze und Gewerbesteuer

Die Aussage, dass 800 Arbeitsplätze in der Region wegfallen, wenn Bauerngut seine Produktion an einen anderen Ort verlegt, ist nicht nachprüfbar. Es gibt keine Informationen dazu, wie viele Mitarbeiter tatsächlich in der Region wohnen oder in welcher Form Mitarbeiter angestellt sind. Das können auch Mitarbeiter von Subunternehmen sein, die ihren Firmensitz gar nicht hier bei uns haben.

Zwar ist Bauerngut nach Aussage von Herrn Brombach einer der größten Gewerbesteuerzahler der Stadt. Es ist jedoch zu befürchten, dass Bauerngut nach den hohen Investitionen in die Erweiterung erhebliche Abschreibungen geltend machen wird und die Gewerbesteuerzahlung dadurch geringer sein wird als bisher.  

Die Androhung einer Verlegung des gesamten Betriebes scheint überzogen. Das wird sich erst einmal wirtschaftlich darstellen müssen: abgeschriebene Gebäude und Anlagen hier gegen eine Neuansiedlung an einem anderen Ort. Und es sieht nicht so aus, als ob Fleisch ein Wachstumsmarkt ist. 

Tourismus und Naherholung

Dass der für Bückeburg so wichtige Tourismus und natürlich auch die Naherholung von einer intakten Landschaft profitieren, ist klar. Sie werden nicht nur durch ein zerstörtes Landschaftsbild sondern auch vom LKW-Verkehrr beeinträchtigt werden, sowohl optisch als auch durch Lärm und Gestank. Mehrere überregionale Wanderwege wie der Europäische Fernwanderweg, ein Pilgerweg und der Radweg ‚Landtour Bückeburg’ verlaufen vom Schloss kommend entlang der Fischteiche über die Fußgängerbrücke Richtung Kleinenbremen.

Zusammenfassend ist es also keineswegs so, dass die Entscheidungen von Bauerngut leichthin durchgewunken werden können, selbst wenn Bürgermeister Brombach der Meinung ist, das seien ‚Entscheidungen eines Konzerns, die wir zur Kenntnis nehmen müssen’. Zu groß ist die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, zu groß die bisher eingegangene Zahl an Einsprüchen. Weitere Einsprüche können noch bis zum 27.11. bei der Stadt Bückeburg erfolgen.“

Christine Breier, Bückeburg  Tel. 05722/25884

Dr. Burkhard Fischer, Bückeburg

Dr. Jürgen Höcker, Bückeburg

Kurz-URL: https://www.bueckeburg-lokal.de/?p=56711

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