„Euch schickt der Himmel“
Bückeburger bringen medizinische Hilfsgüter für 140.000 Euro zur Ukraine-Grenze

Bückeburg/Irpin (Ukraine). Zwei Tage waren sie mit ihrem bis unter das Dach voll beladenen Transporter unterwegs. Sie sind vom äußersten Westen der Ukraine bis nach Irpin in der Nähe von Kiew gefahren – vorbei an ausgebombten Häusern, frischen Gräbern, verbrannten Fabriken, über zerschossene Straßen.

Zhenia und Oleksander, zwei ehrenamtliche Helfer der heimischen Hilfsorganisation Interhelp, haben Strapazen auf sich genommen und ihr Leben riskiert, um lebensrettende Hilfsgüter in die größtenteils verwüste Stadt zu bringen. Dabei haben sie Kinder, für die sie sorgen müssen. Es ist das zweite Mal, dass sich die beiden Freiwilligen der Interhelp-Sektion „Ukraine“ in Gefahr gebracht haben, um Hilfe zu den Menschen zu bringen, die sie bitter nötig haben. Als in Lwiw mehrere russische Raketen einschlugen und Umspannwerke explodierten, waren sie nicht weit davon entfernt.

48 Stunden zuvor hatten Zhenia und Oleksander eine große Menge sterile OP-Handschuhe, chirurgisches Nahtmaterial, Aderpressen, Spezialverbände zum Stillen von extrem schweren Blutungen, diverse Notfallinstrumente, Sauerstoffflaschen, Wiederbelebungsgeräte, Notfallrucksäcke und jede Menge Medikamente, darunter auch starke Schmerzmittel, sowie haltbare Lebensmittel in Medyka, an der polnisch-ukrainischen Grenze abgeholt. Für Oleksander war es das erste Mal in diesem Krieg, dass er die EU-Grenze überqueren durfte. Männer müssen eigentlich in der Ukraine bleiben. Aber Interhelper Oleksander hatte diesmal einen Passierschein in seiner Tasche.

Die lebensrettende Hilfslieferung aus dem Weserbergland war zuvor von den ehrenamtlichen Interhelp-Mitgliedern Vanessa Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg (Kommunikations- und Medien-Designerin), Roman von Alvensleben (Strafverteidiger), Axel Schulz (Unternehmer/Schubs Steuerungstechnik und Vize-Präsident der Industrie- und Handelskammer Hannover und Vorsitzender der Wirtschaftskammer Hameln-Pyrmont/Schaumburg), Andreas Paul Schöniger (Kommunalpolitiker/ehemaliger Berufssoldat) sowie Ulrich und Leonhard Maximilian Behmann (Journalisten) nach Medyka gebracht worden.

„Wir hatten mehrere Tonnen Hilfsgüter dabei“, sagt Interhelp-Vorsitzender Ulrich Behmann. Sie seien mehr als 140000 Euro wert. Ein größerer Teil der medizinischen Hilfslieferung war für das kleine Krankenhaus in Irpin bestimmt. Vor dem Krieg war es ein Ambulatorium, inzwischen müssen dort sogar Operationen durchgeführt werden – das geht allerdings nur, wenn gerade Nahtmaterial, Betäubungsmittel und OP-Handschuhe vorhanden sind.

„Die Ärzte und Krankenschwestern, die in Irpin bis zur totalen Erschöpfung arbeiten, brauchen alles, denn sie haben gar nichts“, hatte die ukrainische Interhelp-Koordinatorin Nadia Filimonova geschrieben und um Hilfe gebeten. Interhelp hat sofort reagiert und bereits am 8. April das Material geliefert, was besonders dringend gebraucht wurde. Das sei nur möglich gewesen, weil Menschen aus Hameln-Pyrmont, Bückeburg, Obernkirchen und Luhden Geld gespendet hätten, sagt Behmann.  Er dankte den Gebern und Gönnern, „die ihre Herzen und Portemonnaies geöffnet haben“. Ihnen hätten Verwundete und Kranke ihr Leben zu verdanken. Sie seien in seinen Augen Helden.

Erstmals an Bord der Hilfstransporter: Insulin, das gekühlt transportiert werden musste. Die Diabetiker-Selbsthilfegruppe Rinteln hatte dafür Geld gesammelt. Heide Slawitschek-Mulle, Bezirksvorsitzende des Vereins „Der Diabetiker Niedersachsen“, hatte das Insulin zum Einkaufspreis in der Julianen-Apotheke in Bad Eilsen und weitere Insulin-Spenden vom Landesverband erhalten.

In Irpin sei die Freunde riesengroß gewesen, berichtet Zhenia. Die Ärztin Dr. Olena Petrich habe gesagt: „Euch schickt der Himmel. Danke, dass Ihr an uns denkt.“ Die deutschen Interhelper haben für die Ukraine-Hilfe ihre Freizeit geopfert, 2400 Kilometer zurückgelegt und Strapazen auf sich genommen. Trotzdem würden alle sofort wieder losfahren, um Menschen in Not zu helfen. „Ohne unsere Ehrenamtlichen könnten wir nichts bewegen“, sagt der Interhelp-Vorsitzende Ulrich Behmann. „Ich bin sehr stolz auf sie.“

Um helfen zu können, hatte Rechtsanwalt Roman von Alvensleben alles stehen und liegen gelassen und sich bei einem Prozess in Werl von einem Kollegen vertreten lassen. Auch Interhelperin Vanessa Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg aus Bückeburg verschob sofort alle Termine. Sie sagt: „Ich wollte einfach nur helfen. Und es hat so gut getan, wenigstens einen kleinen Teil dazu beitragen zu können, dass Menschen in Not geholfen werden kann.“ Für sie war es der erste Hilfstransport, den sie während des Ukraine-Krieges begleitet hat, für Strafverteidiger Roman von Alvensleben bereits der zweite.

Andreas Paul Schöniger aus Bückeburg hatte seine Kontakte spielen lassen und bei Bauerngut um Hilfe für die Helfer gebeten. Das Unternehmen stellte Interhelp sofort einen Transporter und Treibstoff zur Verfügung. Schöniger ist begeistert: „Einfach wunderbar, wie ein Netzwerk und die spontane Zusage der Unterstützung innerhalb weniger Stunden funktionierte und dafür gesorgt hat, den Grundstein für eine reibungslose gut organisierte Übergabe der dringend benötigten Hilfsgüter zu gewährleisten. Für mich wird es auf jeden Fall nicht die letzte Fahrt sein.“

So sieht das auch der Unternehmer Axel Schulz. „Ich werde wieder dabei sein“, sagt er. Der Firmenchef, der auch Unternehmen in Hameln und Luhden leitet, hatte nicht nur kostenlos einen Lastwagen zur Verfügung gestellt, sondern auch Nudeln in großen Mengen eingekauft und Interhelp gespendet.

Die Hilfsgüter, die Zhenia und Olexsander nicht nach Irpin gebracht haben, gehen an Krankenhäuser in Mykolaiv und Kiew – und an hungernde Menschen in Butscha und Irpin. „Wir haben eine ukrainische Partnerorganisation, mit der wir seit den ersten Kriegstagen vertrauensvoll zusammenarbeiten“, sagt Behmann.

Viktor ist der Chef. Er arbeitet von der polnischen Stadt  Rzeszów aus – sie liegt nicht weit entfernt von der Grenze. In einem Lagerhaus werden die Medizinprodukte und Lebensmittel aus dem Weserbergland neu zusammengestellt und via Lwiw im Westen der Ukraine im gesamten Land verteilt. „Unsere Hilfe kommt genau dort an, wo sie aktuell gebraucht wird“, sagt der stellvertretende Interhelp-Vorsitzende Roman von Alvensleben. Teilweise würden die Hilfsgüter Reisebussen mitgegeben.

Wer Interhelp mit Geldspenden unterstützen möchte – hier sind die Spendenkonten:

IBAN DE32 2545 0110 0000 0332 33 (Sparkasse Hameln-Weserbergland)

IBAN DE49 2546 2160 0700 7000 00 (Volksbank Hameln-Stadthagen).

https://linktr.ee/interhelp, Internet: www.interhelp.info. Foto: Ulrich Behmann

Kurz-URL: https://www.bueckeburg-lokal.de/?p=65867

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