Neuer Ansatzpunkt für Glücksspiel-Klagen? Anwalt sieht Möglichkeiten nach Schneeball-System-Urteil!
(fu – 21.5.25) Bis vor Kurzem galt der juristische Kampf gegen illegale Online-Glücksspielanbieter als zähes Unterfangen mit ungewissem Ausgang. Viele Klagen dümpelten in den Aktenbergen deutscher Gerichte vor sich hin während Anbieter aus Malta oder Curaçao weiter fröhlich ihre Dienste anboten.
Doch dann kam ein Urteil des Bundesgerichtshofs um die Ecke, das so manchen Juristen aufhorchen ließ. Es ging eigentlich um ein Schneeballsystem. Doch plötzlich rückte auch die Glücksspielbranche ins juristische Rampenlicht. Und zwar ganz anders als erwartet.
Das Schneeball-System-Urteil des BGH
Was passiert, wenn ein Unternehmen Gelder einsammelt, ohne dafür eine echte Gegenleistung zu liefern? Die Antwort kennt man aus der Finanzwelt zur Genüge: Es handelt sich um ein Schneeballsystem.
Das Urteil vom 10. Januar 2024 ging einen Schritt weiter. Der BGH erklärte, dass nicht nur die Drahtzieher solcher Systeme haften, sondern auch die stillen Helfer im Hintergrund. Etwa Zahlungsdienstleister, die aktiv an der Abwicklung beteiligt waren.
Und hier wird es spannend: Denn viele Online-Casinos operieren nicht selbst sichtbar, sondern lassen Zahlungen über Drittanbieter laufen. Wer sich einmal den Zahlungsfluss genauer anschaut, entdeckt ein Netz aus Tochterfirmen, White-Label-Betreibern und Vermittlern, das selbst Finanzermittlern den Kaffee kalt werden lässt.
Die Parallelen zum Schneeballsystem liegen auf der Hand: Es gibt eine zentrale Plattform, Spieler zahlen ein, der Anbieter sitzt im Ausland und Partnerfirmen helfen mit, das Ganze am Laufen zu halten. Nur statt Rendite gibt es Freispiele und Jackpots.
Wenn ein Zahlungsdienstleister also wusste, dass er hier an illegalem Glücksspiel beteiligt ist und trotzdem Transaktionen ausführte, dann könnte das Urteil des BGH eine juristische Tür aufgestoßen haben. Plötzlich geht es nicht mehr nur um die Hauptakteure, sondern auch um die, die das Spiel überhaupt erst ermöglichen.
Verluste durch illegales Online-Glücksspiel
Die Frage ist nicht neu, aber sie bekommt durch die aktuellen Entwicklungen neue Brisanz: Müssen Spieler Verluste einfach abschreiben oder können sie das Geld zurückfordern?
Juristisch liegt der Fokus auf einem einfachen Prinzip: Kein Vertrag ohne gültige Rechtsgrundlage. Und wenn ein Anbieter keine deutsche Lizenz hatte, war das Angebot eben illegal. Punkt. Zwischen 2012 und Mitte 2021 hatten viele Online-Casinos keine deutsche Zulassung. Gespielt wurde trotzdem. Oft mit dem beruhigenden Hinweis „von der EU lizenziert“. Doch das reicht eben nicht, wenn nationale Regeln auf etwas anderes pochen. Genau hier setzen immer mehr Klagen an. Sie fordern verlorene Einsätze zurück, zum Teil in fünfstelliger Höhe.
Was zusätzlich für Verwirrung sorgt: Täglich werden neue Online Casinos gelistet und bewertet. Auf den ersten Blick sieht alles professionell aus. Moderne Seiten, deutsche Sprache, bekannte Zahlungsdienstleister. Doch die Frage ist nicht, ob die Plattform schick aussieht, sondern ob sie hierzulande überhaupt betrieben werden darf. Die Differenzierung zwischen legal und illegal ist für Verbraucher kaum zu erkennen. Der Streit dreht sich dabei nicht um Gewinne, sondern um verlorenes Geld.
Die juristische Argumentation: Der Anbieter hätte das Spiel nie anbieten dürfen und deshalb fehlt dem ganzen Vertrag die rechtliche Grundlage. Ohne gültige Erlaubnis ist auch die Zahlung hinfällig. Was wie ein juristisches Planspiel klingt, wird vor Gericht zunehmend Realität.
Allerdings urteilen die Gerichte nicht einheitlich. Manche geben den Spielern Recht, andere werten deren Verhalten als „vorsätzliches Risiko“. Klar ist nur: Wer bei einem Anbieter ohne deutsche Lizenz gespielt hat, könnte mit einer Klage durchkommen – muss aber mit Gegenwind rechnen.
Die entscheidende Rolle der EuGH-Verhandlung zur Dienstleistungsfreiheit im Glücksspiel
Während deutsche Gerichte noch hin und her argumentieren, wird in Luxemburg an einem Urteil gearbeitet, das den gesamten Markt auf links drehen könnte. Der EuGH beschäftigt sich derzeit mit der Frage, ob Deutschland überhaupt das Recht hat, EU-lizenzierte Anbieter auszusperren.
Der zentrale Konflikt: nationales Glücksspielverbot versus europäische Dienstleistungsfreiheit. Anbieter mit Lizenzen aus Malta oder Gibraltar berufen sich seit Jahren auf Artikel 56 AEUV. Ihre Argumentation: Wenn wir in einem EU-Mitgliedstaat legal arbeiten dürfen, darf uns ein anderer Mitgliedstaat nicht pauschal den Zutritt verwehren. Deutschland sieht das naturgemäß etwas anders.
Die Entscheidung des EuGH war für April 2025 geplant, wurde nun aber auf Mitte des Jahres vertagt. Und genau diese Verzögerung bringt viele Verfahren in Wartestellung. Richter wollen verständlicherweise kein Urteil fällen, das in ein paar Monaten von Europas oberstem Gericht kassiert wird.
Für Kläger bedeutet das: Entweder warten sie ab oder sie pokern. In der Hoffnung, dass der EuGH das deutsche Verbot bestätigt. Denn dann wären alle Anbieter ohne deutsche Lizenz eindeutig illegal gewesen und Rückforderungen deutlich leichter durchsetzbar.
Prozessfinanzierer in der Krise
Klagen kosten Geld. Und viele Spieler, die ihr letztes Erspartes ins digitale Casino gesteckt haben, haben keine Lust, auch noch Tausende Euro für Anwälte und Gerichtskosten auszugeben. Hier kommen Prozessfinanzierer ins Spiel. Sie übernehmen das Risiko. Im Erfolgsfall gibt’s eine Beteiligung, im Misserfolg bleibt der Spieler auf null. Das Konzept funktioniert gut bei klaren Rechtslagen. Doch wenn sich Verfahren über Jahre ziehen, wird es zäh.
Genau das ist einem der großen Namen der Branche zum Verhängnis geworden: RightNow. Das Unternehmen galt als Pionier der Legal-Tech-Szene, musste aber Anfang 2025 Insolvenz anmelden. Die Grüne: Zu viele Verfahren, zu hohe Kosten, zu wenig Tempo bei der Urteilsfindung.
Für Kläger ist das ein Problem. Wer über RightNow geklagt hat, muss jetzt warten oder sich neu organisieren. Und für andere Anbieter ist das ein Warnsignal. Glücksspielklagen sind eben kein Selbstläufer. Erst recht nicht, wenn es um rechtliche Graubereiche geht. Das führt dazu, dass Prozessfinanzierer vorsichtiger werden. Manche steigen ganz aus, andere nehmen nur noch Fälle mit glasklarer Beweislage. Der Traum vom risikolosen Rückfordern bröckelt.
Welche Möglichkeiten sich für Spieler nun eröffnen
Und trotzdem tut sich etwas. Trotz Rechtsunsicherheit, trotz EuGH-Warteschleife, trotz Finanzierungsproblemen. Anwälte sehen neue Angriffspunkte. Besonders das Schneeball-Urteil gibt Rückenwind. Es zeigt: Auch Helfer können haftbar gemacht werden. Und davon gibt es im Glücksspielsystem nicht gerade wenige.
Klagen könnten sich künftig nicht mehr nur gegen den Anbieter richten, sondern auch gegen Zahlungsdienstleister, Affiliates oder technische Betreiber. Damit steigt die Chance, überhaupt jemanden greifbar zu machen, denn viele Anbieter selbst sind juristisch schwer erreichbar. Der clevere Weg ist aktuell, die Rückzahlung der Einsätze zu fordern. Keine Gier nach Gewinnen, sondern Rückabwicklung einer rechtswidrigen Transaktion. Wer dazu noch Belege hat wie Kontoauszüge, Screenshots, Zahlungsnachweise, ist einen Schritt weiter.
Ob sich daraus eine neue Klagewelle entwickelt, hängt auch vom EuGH ab. Aber selbst jetzt entstehen neue Modelle, um auch ohne Prozessfinanzierer ans Ziel zu kommen. Erfolgshonorar, Ratenzahlungen, Kanzlei-Kooperationen. Der juristische Markt wird kreativ. Und wo sich neue Spielräume auftun, folgt oft auch die Wirtschaft mit frischen Geschäftsmodellen.
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