„Ohne Helmut will ich keine Nacht mehr verbringen“
Lesung im Hubschraubermuseum

Bückeburg (sh-08.04.19). 68 Jahre waren die Schmidts verheiratet, 81 Jahre kannten sie sich. Helmut und Loki waren ein einzigartiges Paar – für viele fast ein Mythos. Ihre Verbundenheit überstand den Zweiten Weltkrieg und die darauf folgende Mittellosigkeit, den frühen Tod des ersten Kindes, den Loki alleine von Helmut getrennt im Krieg erleben musste. Den Terror der RAF und die politische Karriere des Ehemanns. Eine Biographie, die sich liest wie ein spannender Roman! Helmut und Loki Schmidt kannten sich von ihrer Kindheit bis zu ihrem Lebensende.

Sie lernten sich auf der Lichtwarkschule als Klassenkameraden kennen. Dann verlieren sich ihre Wege durch den Krieg. Wie der Biograf Reiner Lehberger während einer Lesung im Hubschraubermuseum auf Einladung der Volkshochschule Schaumburg berichtet, schrieb Helmut Loki einen Brief, als sie gerade in ihrer schwersten Zeit war. Allein und komplett überfordert war sie in der Kinderlandverschickung mit gerade mal 21 Jahren. Sie war verantwortlich für zig Kriegskinder. Sie war dort für die Kinder Lehrerin, Psychologin und Ersatzmutter. Da kam Helmuts Brief genau richtig. Sie schlug Helmut ein Treffen in Berlin vor.

Er mietete sich ein Zimmer und gab an, sie wären verheiratet. Sechs gemeinsame Tage und Nächte blieben ihnen in Berlin. Sie schworen sich ein Eheversprechen und schauten jeden Abend zur gleichen Zeit in den Himmel. So gaben sie sich gegenseitig Kraft und Durchhaltevermögen, diesen Krieg zu überstehen.

Am 1. Juli 1942 war dann Hochzeit. Im Januar 1945 dann der Tod des ersten Kindes (ein Sohn) an Hirnhautentzündung, durch fehlende Medikamente. Loki beerdigte ihn ganz allein in einem weißen Sarg. Helmut erfuhr es erst Monate später an der Front.

1947 wird Tochter Susanne geboren, und im gleichen Jahr wird Loki Lehrerin. 5 Kinder wollten sie haben, leider hatte Loki viele Fehlgeburten erlitten und Helmut Schmidt sagte dazu einmal: Der liebe Gott hat Loki wohl nicht für mehrere Kinder gemacht. Ein trauriges Statement, was die beiden da teilten. 1953 geht Helmut Schmidt in den Bundestag, und es beginnt eine Fernbeziehung, die beiden nicht gut tut. Höhepunkt war der 30.05.1966. Lokis schwärzester Tag, wie sie später einmal sagte. Sie erfuhr von der Affäre ihres Mannes aus dem Stern. Loki hat ihm daraufhin die Trennung angeboten, was Schmidt als „ganz und gar abwegige Idee“ ablehnte.

Loki blieb, aber die Affäre dauerte an. Das machte sie so krank, dass sie aus dem Staatsdienst austrat. Noch Jahrzehnte nach seiner Affäre zeigte ihr Helmut seine Dankbarkeit in seiner Rede zum 40. Hochzeitstag. Sie, Loki, sie war die tragende Rolle in dieser Schmidt-Ehe. Hätte sie nicht treu zu ihm gehalten, hätte die Ehe niemals so lange Bestand gehabt. Fast das gesamte 20. Jahrhundert haben die Schmidts gemeinsam erlebt. Sie hielten in Krisenzeiten fest zusammen – und stellten sich den äußern Herausforderungen ebenso wie jenen, die nur ihre Ehe betraf.

Reiner Lehberger ist es gelungen, ein Jahrhundert Deutschland mit den nahezu hundert Jahren der gemeinsamen Lebensgeschichte von „Helmut und Loki“ zu verbinden. Mit viel Liebe zum Detail und Einfühlungsvermögen berichtet er von dem bedeutenden Staatsmann und der nicht minder erfolgreichen Naturschützerin – von den Brüchen ihres Lebens, dem Unausgesprochenen und dem Kitt, der alles zusammenhielt.

Lehberger betont immer wieder den Respekt und die Achtsamkeit in den kleinen Gesten, wie beide miteinander umgingen. Es war immer gut, wenn sie da war auch in der Politik, so ein früherer Weggefährte in der politischen Zeit. Dann war Helmut viel umgänglicher und besser drauf. Hier endete die Lesung vom Biograf Reiner Lehberger. Man kann dieses Buch nur empfehlen. Es geht ans Herz, es zeigt intime Einblicke auch in das sogenannte Reihenhaus der Schmids. Es gibt zwar viele Biografien zu Helmut oder Loki Schmidt, aber dies ist die erste Biographie, die das Ehepaar Schmidt in den Blick nimmt. Reiner Lehberger: Die Schmidts. Ein Jahrhundertpaar, 352 Seiten, gebunden. ISBN:978-3-455-00436-6, 24 Euro, im Verlag Hoffmann und Campe erschienen.